Leberblümchen

NIKON D750, F/4, 1/250, ISO:100, das Foto habe ich in einem Buchenwald im südlichen Schwarzwald auf ca. 500m Höhe am 21.3.2021 12:12 Uhr aufgenommen. Die Kamera lag auf einem Bohnsack auf dem Boden.

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ADMIN

Hallo juergenb,

Leberblümchen – zarte Frühblüher, die sich aus dem Winterboden wie von Zauberhand erheben. Das zeigt Dein tolles Foto!

Zu den Details:

Perspektive

Du hast die beiden Blüten mit gut sitzender Schärfe von schräg oben aufgenommen. Diese Perspektive ermöglicht einen Blick in die offenen Blüten.
Gleichzeitig legt diese Perspektive auch fest, dass ein Großteil des Hintergrunds der Waldboden ist. Der wird zwar nach hinten hin immer unschärfer, erzeugt aber keine wirkliche Bildtiefe.

Lösung:
Wenn Du mit der Kamera noch weiter runter gehst, erscheint oben im Bild der Hintergrund des Lebensraumes, in dem die Leberblümchen stehen – gegebenenfalls der Wald. Dieser wird zwar auch in Unschärfen aufgelöst, aber durch die ganz niedrige Perspektive entsteht eine deutlich größere Bildtiefe – und damit eine enorme Bildwirkung; der Bildbetrachter begegnet den beiden zarten Blüten respektvoll auf Augenhöhe.

Häufig sind bei bereits kleinen Änderungen der Perspektive die Wirkungen groß. Die größte Wirkung jedoch entsteht meist erst, wenn man die Kamera ganz runter nimmt und auf den Boden stellt – also auf der echten Augenhöhe.

Hintergrund

Neben den Unschärfen prägen den Hintergrund vor allem Licht und Linien.

Die Lichter sind die Sonnenflecken, die sich mit Schattenbereichen abwechseln. Dies ist typisch für einen Waldboden. Damit liefern sie passende und interessante Details über den typischen Lebensraum dieser Pflanze.

Die Linien stammen von Gräsern, die sich in leichter Unschärfe hinter dem Hauptmotiv befinden. Und hier muss man zwischen zwei Arten von Linien unterscheiden: mehrere dunkle und eine helle. Diese Differenzierung ist wichtig. Warum? Weil die (eine) helle Linie eine andere Wirkung auf den Bildbetrachter hat als die (mehreren) dunklen. "Hell" zieht das Betrachterauge an. Helle Linien wirken hart, sie "zerschneiden" ein Bild.

Genau das passiert oben im Bild. Im Gegensatz zu den dunklen Linien, die zwar auch auffällig durchs Bild ziehen, aber auch den Lebensraum charakterisieren, ist die eine helle Linie zu dominant. Sie zieht den Betrachterblick stark auf sich und lenkt damit vom zarten Leberblümchen ab.

LÖSUNG:
Man muss nicht immer alles "wegkehren" im Umfeld des Hauptmotivs, damit es schön "sauber" ist; das wirkt schnell unnatürlich. Aber es ist ratsam, die vorhandenen Strukturen genauer zu betrachten und zu interpretieren. Insbesondere helle, schneidende Linien haben meist eine negative Wirkung und sollten deshalb am besten bereits vor der Entstehung der Aufnahme entfernt werden.


Davon unberührt zeigt Dein Foto einen wundervollen, zarten Frühblüher, der erfolgreich den widrigen Bedingungen des Spätwinters trotzt – und mich als Bildbetrachter erfreut :-).

In diesem Sinne weiterhin "Gut Licht" 

Roland

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Makronist

Vielen Dank Roland für diese ausführliche Analyse und Beurteilung. Deine konstruktive Kritik ermuntert mich auch zukünftig ab und zu ein Foto zur Besprechung einzureichen, denn davon verspreche ich mir eine echte Weiterentwicklung auf diesem spannenden Gebiet der Makrofotografie. Mit grosser Begeisterung habe ich deine Vintage-Makroaufnahmen gesehen und möchte auch auf diesem Gebiet erste Gehversuche machen. Mir geht es bei der Makrofotografie nicht so sehr darum Kleinstlebewesen bis ins letzte Detail und für das Auge normalerweise nicht sichtbare darzustellen. Es geht mir mehr um die Schönheiten die im Verborgenen liegen und diese mit Licht und Farbe in Szene zu setzen. 

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