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ADMIN

Hallo Gerhard,

wir wollen das Ganze hier nicht verkomplizieren, sondern nur das ansprechen und erläutern, was für die Praxis relevant ist:

Ein Foto hat entsprechend der gegebenen Megapixel eine vorgegebene Maximalgröße, beim hochwertigen Druck (also mit 300 dpi) wären das - mal angenommen - 40 x 30 cm.
Wird nun ein Ausschnitt dieses Fotos erstellt, reduziert sich die Maximalgröße entsprechend der "weggeschnittenen Bildmasse". Das wäre beispielsweise bei 10 % Beschnitt entsprechend 10 % geringer Maximalgröße bei gleichbleibenden 300 dpi - also gleichbleibender Qualität.

Beschnitt macht also ein Bild erst einmal nur kleiner!

Hier geht es noch gar nicht um Interpolation! Ein Foto wird erst interpoliert, wenn es nach dem Beschnitt wieder auf die "alte" Maximalgröße (oder noch größer) hochgerechnet wird. Dann rechnet das jeweilige Programm Pixel dazu - logo, woher sollen sie sonst kommen?! Das sind - wie Du sie nennst - die unechten Bildinformationen.

Klar, Interpolation "nagt" an der Qualität eines Bildes. Wie stark und mit welcher Charakteristik, das ist sehr verschieden. Entscheidende Faktoren hierfür sind unter anderem:

  • Qualität des Ausgangsbildes (insbesondere die Optik!)
  • Beschaffenheit (Charakteristik) des Fotos (Strukturen, Kontraste usw.)
  • Die angewandte Technik der Interpolation
  • Die (Gesamt-)Stärke der Interpolation

Hier kommen also viele Aspekte zusammen, allgemeingültige Aussagen sich damit nicht möglich. Aber Du hast Recht: Häufig zeigt sich zu starke oder schlechte Interpolation durch flaue Schleier, reduzierte Brillanz, unsaubere Kontrastkanten usw.

Aber nochmal: Erst einmal hat das alles nichts mit dem Beschnitt an sich zu tun. Wird ein Foto beschnitten und anschließend nicht in seiner vollen Größe verwendet, muss nicht interpoliert werden. Hier spielt also eine ganz wichtige Rolle der Verwendungszweck.

Und gerade die Monitor-Präsentation mit ihren immer noch in der Regel 72 dpi Auflösung kann hier eine Menge Beschnitt zulassen. Solange das Bild in der 100 % - Ansicht die Präsentationsgröße (z.B. Monitor) voll ausfüllt, sieht man auch keinen Qualitätsverlust. Der Monitor zeigt ohnehin nicht mehr als die 72 dpi, auch wenn dahinter noch eine Menge weitere Bilddichte vorhanden ist.
Erst, wenn die Präsentationsgröße nicht mehr ausreicht, muss das Bild "aufgeblasen", sprich interpoliert werden. Und nur dann sollte auch interpoliert werden, wenn überhaupt - alles andere macht keinen Sinn!

Das gleiche trifft natürlich auch auf den Druck zu - und hier kommt man dann wesentlich schneller an Grenzen, weil die notwendige Pixeldichte höher liegt. Bei sehr hochwertigen Drucken liegt sie bei 300 dpi, bei "Normdrucken" bei 250 dpi, bei den grobpixeligen Tageszeitungen meist bei 100-150 dpi. Will man also nach einem Beschnitt noch einen größeren Abzug erstellen, ist schnell Ende im Gelände.

Hierin liegt übrigens einer der größten Vorteile von relativ hohen Pixelzahlen seitens des Kamerasensors. Man kann dies dann auch aus der Perspektive des "Reserve-Potentials" sehen.

Viele Experten würden jetzt gerne ein ganzes Buch über den Themenkomplex Interpolation, Pixel, Bildgröße, Druckauflösung usw. schreiben. Solche Bücher gibt es ja auch zu Genüge. Man kann mit diesen Sachverhalten Tage, Wochen und Monate verbringen, ohne auch nur ein einziges Mal die Kamera in die Hand zu nehmen und ein Foto zu machen. Ich bin mehr ein Mensch der Praxis und belasse es deshalb mal für´s erste dabei. Wir wollen ja alle in diesem Sommer nochmal fotografieren gehen ... :-).

Nun zu Deiner letzten Frage: Ja, leider machen viele Menschen einen Riesenausschnitt aus ihrem Foto und präsentieren den dann ohne weitere Angaben im Internet - also für die Monitorbetrachtung. Hier kannst Du, wie oben beschrieben, einen kleinen "Bildfetzen" so präsentieren, als sei es ein riesiges Original. Und diese Experten nennen das dann Makrofoto! Ich habe da schon formatfüllende Fliegenfotos vorgelegt bekommen, fotografiert aus komfortablen zwei Metern Entfernung mit irgend ´nem Weitwinkel, aber dafür auf fetten 36 MP und mehr, aus denen dann diese kleine Fliege herausgeschnitten und als "Makro" präsentiert wurde. Von solchen sogenannten Fotografen ist die Welt voll.

Jeder muss selbst überlegen, wie er das findet ... Ich möchte mich hier nicht mit irgendwelchen Definitionen abgeben. Sie wären ohnehin nur Wortbegrenzungen. Ich denke, hier spielt die Selbstverantwortung eines Jeden und der Anspruch an einen selbst eine große Rolle. Theoretische Definitionen sind da nicht sonderlich hilfreich, sondern liefern nur ein illusorisches Gerüst, das im Zeitalter der digitalen Fotografie ohnehin wieder Jeder irgendwie umgehen kann.

Übrigens: Das ist ein ganz übles Thema bei Verlagen. Wendet sich für einen geplanten Abdruck ein Verlag an einen Fotografen bezüglich eines im Netz präsentierten Fotos und bekommt dann dieses Foto mit einer Auflösung von beispielsweise 350kb zugeschickt, weil mehr nicht übrig ist vom Beschnitt, ist der Verlag super böse. Da bekommen Redakteure serienmäßig Tollwutanfälle. Und Interpolationen sind, fliegen sie auf, ohnehin der Tod! Dieser Fotograf kommt dann auf die Verlags-Black-List. Bei dem fragt keiner mehr nach, nicht in diesem und auch nicht im nächsten Leben - verständlicherweise.

Die Erfahrung zeigt:

Beim Druck trennt sich die Spreu vom Weizen bei den Fotografen!

Hier kommt raus, ob echte Qualität vorliegt oder die gezeigten Fotos eben nur Restschnipsel übertriebener Beschnitte oder übelst durchgeführte Interpolationen sind. Du glaubst nicht, was ich da schon erlebt habe! Darüber könnte ich ein Buch schreiben :-).

Lieber Gruß,

Roland

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