Unsere Petition zum Thema Artensterben

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Unsere Petition zum Thema Artensterben

Mi., 12/07/2017 - 18:16
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Es war längst überfällig - eine Petition zum Thema Artensterben. Mit der Kampagne "unsere heimische Natur stirbt – Aufschrei JETZT!" wollen wir einen Aufschrei erzeugen, der die Verantwortlichen aus ihrem Tiefschlaf reisst. Helft jetzt mit, die Lawine in Gang zu setzen!

Unsere heimische Natur stirbt – Aufschrei JETZT!

Hat Dir Dein Müsli mit frischen Früchten oder das Honigbrot heute Morgen geschmeckt? Merk dir den Genuss. Du wirst ihn nicht mehr lange haben. Kennst Du blühende Wiesen, in denen Insekten summen und Schmetterlinge von Blüte zu Blüte flattern? Fotografier sie möglichst schnell, damit deine Kinder/ Enkel wissen werden, wovon Du redest – sie werden es nicht mehr erleben können. Du kaufst selbstverständlich keine Möbel aus Edelhölzern und schüttelst den Kopf über die Abholzung des Regenwaldes? Lobenswert! Ist dir auch aufgefallen, dass unsere heimische Natur stirbt?

Weißt Du noch damals, als man auf längeren Autofahrten regelmäßig an einem Rastplatz halten musste, um die Windschutzscheibe von toten Insekten zu säubern?

Wirft man einen Blick in unsere Medien, geht es heute um viel „wichtigere“ Themen wie beispielsweise das Getwittere von Trump, Neues von der AfD und die Wiedergeburt der Pkw-Maut.

ZUR PETITION

Das große Drama

Im Hintergrund, ganz schleichend und unbemerkt, passiert jedoch Schreckliches: Unsere heimische Natur stirbt uns weg. Nicht irgendwo in fernen Ländern, sondern direkt vor unserer Haustüre. Die Biomasse an Fluginsekten ist in den letzten wenigen Jahren um bis zu 80 % zurückgegangen1. Du hast richtig gelesen: 80 %! Könntest Du von 20 % Deiner Einkünfte leben? Wohl kaum. Genau so geht es der Natur. Das Ökosystem bricht zusammen. Die Pyramide zerfällt und wir Menschen, die sich anmaßen, an der Spitze dieser zu stehen, ignorieren das Grollen und Beben des wegbrechenden Fundaments unter unseren Füßen schon viel zu lange.

Jetzt weißt Du auch, wo die Insekten geblieben sind, die früher Deinen Kühlergrill und die Windschutzscheibe verschmutzt haben. Dass heute beides auch bei langen Fahrten schön sauber bleibt, darüber könnte man sich ja freuen. Doch leider ist keine Euphorie angebracht - im Gegenteil, es kommt noch schlimmer.

Die Natur ist wie ein großes Netzwerk, alles ist miteinander verwoben. So wirkt sich der dramatische Rückgang der Insekten zum Beispiel auf Insektenfresser wie die Vögel aus. Auch deren Vielfalt schwindet seit geraumer Zeit massiv4. Es häufen sich Berichte von besorgten Gartenbesitzern, die nur noch einen Bruchteil der Vogelarten wie zu früheren Zeiten am Vogelhaus beobachten.

Das Verschwinden unserer Tiere und Wildpflanzen wird durch immer mehr umfangreiche, solide, wissenschaftliche Belege2,3 bestätigt.

Was geht uns das an?

Nun kannst Du Dich fragen, was uns Menschen dieses ganze Sterben angeht. Insekten beispielsweise haben einen schlechten Ruf. In den Medien hört man nur von Insektenplagen, Zeckeninvasionen und böswilligen Juchtenkäfer, die große Bauprojekte behindern.

Die Antwort ist simpel: Es ist Zeit, große Dankbarkeit zu zeigen. Denn ohne sie können wir nicht leben. Die Insekten decken uns jeden Tag aufs Neue den Tisch. Ohne sie gäbe es keinen fruchtbaren Boden, keine bestäubten Blüten und damit keine Früchte. Deren Arbeit kann keine Menschenhand und kein Roboter je ersetzen. Der Wert der biologischen Vielfalt ist unbezahlbar und für uns Menschen lebensnotwendig.

Es ist an der Zeit, aus dem Tiefschlaf aufzuwachen und die Politiker wachzurütteln, damit wir dem Sterben unserer Natur entgegenwirken können, bevor es zu spät ist. Das Artensterben passiert gerade so rasend schnell, dass keine Zeit mehr bleibt für lange Debatten. Es muss gehandelt werden. Jetzt und hier. Was erzählst Du Deinen Kindern/Enkeln was Du getan hast?

Die Ursachen

Die Ursachen sind bekannt. Hauptgründe für den dramatischen Rückgang sind neben den massiven Flächenversiegelungen in unserer Landschaft die Praktiken der industrialisierten Landwirtschaft, insbesondere:

  • die Verödung der Felder und Äcker durch Beseitigung von Hecken, Randstreifen usw.

  • die zu starke Düngung

  • der Einsatz von chemischen Mitteln wie Neonicotinoide und Glyphosat

Forderungen:

  • Aufnahme des Punktes „Bewahrung und Förderung der biologischen Vielfalt“ in das Regierungsprogramm der künftigen Regierung;
  • Sofortiges und endgültiges Verbot von Neonicotinoiden und Glyphosat;
  • Umfangreiches und dauerhaftes staatliches Monitoring der biologischen Vielfalt;
  • Anreize für Landwirte, Teile der Produktionsflächen für die Förderung der biologischen Vielfalt einzusetzen;
  • Pflichtmaßnahmen für die Bewahrung und Förderung der biologischen Vielfalt für Kommunen & Gemeinden;
  • Verstärkte Förderung und Kompensationszahlungen von umweltverträglicher Landwirtschaft;
  • Umsetzung der Reduzierung des Flächenverbrauchs (30 ha bis 2020);
  • Umstellung auf insektenfreundliche Nachtbeleuchtung in allen Gemeinden.

ZUR PETITION

Alle Stimmen werden nach Ablauf der Petition an die verantwortlichen Politiker übergeben:

  • An die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks
  • An die zuständigen Umweltministerien aller Bundesländer
  • An die Bundeskanzlerin Angela Merkel

Quellen:

  • 1Sorg, M.; Schwan, H.; Stenmans, W. & A. Müller:  Ermittlung der Biomassen flugaktiver Insekten im Naturschutzgebiet Orbroicher Bruch mit Malaise Fallen in den Jahren 1989 und 2013: Mitteilungen aus dem Entomologischen Verein Krefeld, Vol. 1 (2013), pp. 1-5
  • 2Bundesamt für Naturschutz: Artenschutzreport 2015
  • 3EEA (European Environment Agency): European Grassland Butterfly Indicator, 2013
  • 4Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Steffi Lemke, Harald Ebner, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dem Titel "Stummer Frühling – Verlust von Vogelarten" vom 02. Mai 2017
  • Deutscher Bundestag: öffentliches Fachgespräch zum Thema "Ursachen und Auswirkungen des Biodiversitätsverlustes bei Insekten" 13. Januar 2016

Links zu weiteren Infos:

http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/immer-mehr-wildbienen-arten-droht-der-tod-15031601.html

http://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/faszination-wissen/insektensterben-blumen-pflanzen-100.html

BfN-Agrar-Report 2017 - Bundesamt für Naturschutz

http://www.bund-rvso.de/schmetterlingssterben.html

Video das Schmetterlingssterben

Offener Brief des Freiburger Entomologischen Arbeitskreis an den Ministerpräsidenten des Bundeslandes Baden-Württemberg, Herrn Winfried Kretschmann

http://www1.wdr.de/wissen/natur/faktencheck-insektensterben-100.html

http://www1.wdr.de/wissen/natur/insektensterben-landwirtschaft-106.html

Linktipp: Käfer, Hummeln, Schmetterlinge: Sterben die Insekten aus? Video der Sendung Quarks & Co (WDR)

ARD Kontraste: Massenhaftes Artensterben durch Insektizide in der Landwirtschaft:  Video

Eine sehr gute Doku vom ZDF:  In China kann man die Auswirkungen schon sehen! Ganze Regionen ohne Bienen und andere Insekten! Wollen wir sowas auch in Deutschland? Seht euch das erschreckende Video an: https://www.zdf.de/dokumentation/planet-e/planet-e-ausgebrummt---insektensterben-in-deutschland-100.html

Frontal21 ZDF - Ausgesummt und unbestäubt - Die Folgen des Insektensterbens: https://www.zdf.de/politik/frontal-21/frontal-21-vom-10-oktober-2017-100.html

 

UPDATE 18.10.17

Die Untersuchungen des Entomologischen Verein Krefeld wurden nun in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung bestätigt. Damit sollten alle Zweifel beseitigt sein.

Direkt zum Paper: http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0185809

 

Kommentare

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Erstellt von solid (nicht überprüft) on Mi., 12/07/2017 - 21:59 Permalink

Ich lese in letzter Zeit öfters auf dieser Seite, weil sie sehr informativ ist und wahnsinnig gute Bilder bietet.

Sie hat sich auch sonst sehr positiv weiterentwickelt.

Aber ehrlich jetzt eine Petition?

Vergiss es!

Deine Vorderungen sind sicher schon in unzähligen Gestzen und Vorschriften verewigt und Heerscharen von Leuten sind damit beschäftigt dies zu kontrollieren und umzusetzen.

Was bringts? Alibiveranstaltungen.

Wenn Du wirklich etwas für Deine Enkel tun willst dann verschwende nicht Deine Zeit damit und nutze sie lieber um das was noch da ist für sie zu dokumentieren.

Ist zwar traurig aber wenigstens machbar.

Übrigens hat die Menscheit die Klimaabkühlung der 70ziger, das Waldsterben der 80ziger und das Ozonloch der 90ziger überlebt.....

Von den wissenschaftlich prognostizierten Folgen sind wir weitestgehend verschont geblieben.

LG

 

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ADMIN

Hi solid,

ich kann Dich verstehen. Allerdings kann man in Anbetracht dieser Entwicklungen nur zwei Dinge tun.

1. Gar nichts - also zuschauen.

2. Wenigstens versuchen irgendwas zu tun

Ich erlebe den erschreckenden Zustand unserer heimischen Natur auf jeder meiner Makrotouren. Mittlerweile ist es, schon schwer eine halbwegs artenreiche Wiese zu finden. Unsere Forderungen sind leider bisher eben in keinem gesetzlichen Kontext von Bestand. Und es gibt keine Heerscharen, die diese kontrollieren. Im Gegenteil die Experten die sich noch mit den Arten auskennen sterben, nach den derzeitigen Entwicklungen an den Universitäten, vorher aus. Wenn Du den Petitionstext aufmerksam liest, so wird deutlich, dass der Mensch das Wegbrechen der Fauna und Flora eben nicht verkraften wird. Denn wir sind auf die Natur angewiesen - auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen.

Übrigens die von dir angesprochenen Thematiken: Waldsterben, Ozonloch etc. haben wir nur deshalb überstanden, da massiv (gerade durch Petitionen, Demonstrationen & Aufschrei der Bürger) dagegen vorgegangen wurde. Gerade beim sauren Regen wurde so gerade noch schlimmeres verhindert. Und trotzdem müssen Wälder auch heute noch gekalkt werden. Also gute Beispiele dafür, dass sich Bürger-Engagement auszahlen und etwas bewirken kann!

Den Verantwortlichen sind die Missstände schon lange bekannt, aber gehandelt wird erst, wenn der Druck aus der Bevölkerung zu groß wird. Leider liest man in den Medien kaum etwas über das heimische Artensterben und dem normalen Bürger ist die Thematik zumindest nicht in dieser Dramatik bekannt.  Daher unser Versuch das Thema wieder in die Öffentlichkeit zu rücken. Jeden den wir damit da draußen erreichen können ist schon ein Sieg für uns. Übrigens will ich meinen Kindern später nicht sagen müssen ich hätte Variante 1 gewählt...

Beste Grüße,

Valentin

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MOD

Hallo Valentin,

ich kann mich deiner Meinung da nur anschließen. Nichts zu tun kommt für mich auch nicht in Frage.Es ist für mich genauso bedrückend den Artenrückgang in diesem Ausmaß feststellen zu müssen. Da braucht man kein Biologe zu sein. Das tut mir in der Seele weh. Ich kenne die Natur noch anders, halbwegs in Ordnung.

Ohne Druck passiert leider nichts.

Ich bin das meinen Kindern und meinem Enkel schuldig.

Liebe Grüße

Gabi

 

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Die prognostizierten Folgen kannst Du Dir doch schon heute in der Realität ansehen.

https://www.galileo.tv/weltweit/die-menschlichen-bienen-aus-china/

Und wenn sich die vielen Naturfotografen lieber am Schutz unserer Natur beteiligen würden, als das was es noch gibt zu dokumentieren, dann hätten meine Enkel auch noch die Chance sich ihr eigenes Bild von der Natur zu machen.

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Erstellt von solid (nicht überprüft) on Sa., 15/07/2017 - 09:41 Permalink

Nur noch mal kurz zur Petition.

Monsanto (ua) hat den größeren Werbeetat und "Mutti" steht auf Glyphosat.

Ich rate nicht dazu, nichts zu tun! Nur sehe ich hier reine Zeit und Energieverschwendung darin.

Fürs Gewissen ist es schon OK.

 

Mich stimmt es auch traurig, wenn ich jeden Tag sehe, wie hier (und überall) mit der Natur umgegangen wird.

Das geht los vom Harvester der jedes Jahr im selben Walstück auftaucht, teilweise im Hochsommer, bis zu dem Bau- und Dämmungswahn, der um sich greift. Könnt ich seitenweise aufzählen und der meiste Irrsinn läuft unter dem Label Umweltschutz.

 

Zum Thema Unis, es ist halt leichter irgendwelche Schwafelwissenschaften zu studieren als Naturwissenschaften, da wird konkretes Wissen abverlangt. Aber diese Entwicklung wird auch staatlicherseits gefördert.

Zum Thema vorhergesagte und dann ausgebliebener Katastrophen, bin ich auch anderer Meinung. Besonders das Ozonloch und FCKW.

Schuld und Angst sind seit Jahrhunderten die besten Regierungswerkzeuge;-)

 

LG und und immer ein schönes Motiv vor der Linse.

 

PS.:

Wann ist denn Ausgabe Nr.5 geplant?

 

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Erstellt von Daniel-David C… (nicht überprüft) on Mi., 19/07/2017 - 11:50 Permalink

Hallo,

mir persönlich ist es auch aufgefallen: vor einigen Jahren war es mir fast nicht möglich, nach der Autowäsche ohne neuen "Fliegendreck" auf der Windschutzscheibe die 5km nach Hause zu schaffen. Mittlerweile kann ich auch zwei Wochen fahren ohne viel Insektenreste auf der Windschutzscheibe zu haben.????

Das ist mir zwar aufgefallen, aber ich habe mir ehrlich gesagt weiter keine Gedanken darüber gemacht.Vielen Dank für den Weckruf! Wir haben zwar mehrere schöne Insektenhotels auf unserem Grundstück, aber ich gebe die Infos von hier auch weiter. Sowas darf nicht sein! Vielleicht spielt auch die wissenschaftliche genetische Veränderung vieler Pflanzen eine Rolle beim Insektensterben. Der Schöpfer hat alles sooo perfekt gemacht, was ist der Mensch das er denkt etwas "verbessern" zu müssen!?!

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MOD

Hallo Roland und Valentin,

ich hoffe, euch ist die heutige Sendung  von Frontal 21 nicht entgangen. Großer Beitrag über Artensterben, Monokultur etc..Sonst bleibt euch noch die Mediathek zum Anschauen. Es tut sich was :-)

Valentin, vielleicht kannst du dazu einen link einstellen.

Liebe Grüße

Gabi

 

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MOD

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/kommentar-zum-insektensterben-sommer-ohne-surren-15256203.html

Mittlerweile ist das Thema überall zu finden: Lokalpresse, Tagesschau etc. In der Faz oben sind noch 2 Unterartikel dazu, auch vom Nabu zum Vogelsterben! Endlich!!! Meine Angst ist nur, dass ,bis sich darüber alle ausgetauscht haben und die Spritzmittel weiterhin flächendeckend angewendet werden, es zu spät ist. Es gibt immer noch so viele Holzköpfe, die nichts begreifen. Dazu die Lobbyisten von der Wirtschaft in der Regierung.Es wird getrickst ohne Ende. Da wird mir schlecht.

Liebe Grüße

Gabi

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ADMIN

Hallo Gabi,

momentan erleben wir eine "zweite Welle" der Berichterstattung über das massive Arten- und Individuensterben unserer Tiere – nach der ersten Welle im Sommer und ausgelöst durch eine eigentlich überflüssige wissenschaftliche Bestätigung der Ergebnisse der Krefelder Insektenforscher. Warum "eigentlich überflüssig"? Weil die Studien der Krefelder Wissenschaftler so deutlich souverän und als solche auch erkennbar sind, dass sich eine "Bestätigung" erübrigen müsste. Aber so funktioniert Deutschland nun mal...

Ich denke, das Problem ist weniger, dass die "Holzköpfe", wie Du sie nennst, nichts begreifen. Ich bin sicher, das Problem liegt mehr darin, dass sie nichts begreifen wollen! Hier liegen die Interessen anders. Es gibt sehr viele Menschen, die verdienen an der derzeitigen Situation. Und sie sind tatsächlich in ihrer Denke so brutal, dass sie ihren aktuellen materialistischen Mehrgewinn über die negativen Folgen irgendeiner Zukunft anderer stellen. Ihnen sind die Folgen für Menschen und natürlich auch sonstigen Lebewesen, die nach ihrem eigenen Ableben versuchen werden zu leben, schlichtweg egal. Ich werde bei meinen Arbeiten immer wieder und mittlerweile auch zunehmend mit Menschen konfrontiert, die dies klar formulieren. Deshalb wird sich wohl der Ton in dieser Thematik zunehmend verschärfen.

Viele begreifen dies jedoch nicht. Sie meinen immer noch, der Bauer ist der weißbärtige Typ, der sich in gebeugter Haltung aufopfernd mit der großen Handsense die superbunte Steilhang-Wiese hinaufkämpft und alles dafür tut, dass die Blümchen auch weiterhin so schön blühen.

Was zur Zeit medial wirkungsvoll diskutiert wird, wissen wir seit Jahrzehnten. Dieses Wissen musste jedoch der Profitgier vieler Menschen weichen. Und hier stehen nun mal unsere Landwirte als "Krieger vor Ort", als die "Soldaten auf dem Schlachtfeld", oder, etwas sachlicher formuliert, als die unmittelbar Tätigen auf den Wiesen und Äckern in der vordersten Front.

Jedenfalls wird es wenig zielführend sein, weiterhin solche Abschluss-Statements zu formulieren, wie dies die beiden Moderatoren Caro und Gunnar in der ZDF-Xenius-Sendung "Wiese: bunt statt grün!" taten: ... wäre der Wunsch an die Landwirte, vielleicht bei der Düngerei ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl zu beweisen".

[ZDF-Xenius-Sendung "Wiese: bunt statt grün!" siehe weiter oben in unserer Einstellung vom 11.10.2017.]

Hm, was soll hier das Wort "Wunsch"? Was soll hier das Wort "vielleicht"? Was soll hier das Wort "bisschen"? Was soll hier das Wort "Fingerspitzengefühl"?

Viele meinen immer noch, wir wären hier auf einem Wunschbasar. Meinen Caro und Gunnar von Xenius tatsächlich, ihre so lieb formulierte Bitte würde dem Bauern einen ehrlich erstaunten Blick ins Gesicht zaubern, in dessen Folge er seinen Alltags-Wahnsinn beendet und sich ab nun für mehr als eine knappe Handvoll Nutztiere und genauso wenig Nutzpflanzen einsetzt?

Hier läuft einiges schief. Bauern sind, insofern sie einen wirtschaftlich "funktionierenden" Betrieb führen, in der Regel keine Bauern im herkömmlichen Sinne, sondern Unternehmer, zunehmend sogar Energieunternehmer. Landwirtschaft ist keine Kuschelstätte mehr für freilaufende Kühe namens Heidi – außer in eigens dafür inszenierten, theaterreifen Vorzeige-Projekten – sondern ein weitestgehend industrialisiertes Groß-Unternehmen, genauso wie Bosch, Audi oder Bayer AG. Warum käme hier niemand auf die Idee, den "Wusch" zu formulieren, doch vielleicht beim Dieselmotor-Entwickeln ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl zu beweisen.

Es ist seit Jahrzehnten ein grandios erfolgreiches Ziel der Berufsverbände und der Lebensmittelindustrie, der Bevölkerung ein völlig verklärtes Bild der Landwirtschaft zu suggerieren. Allen voran der Bauernverband ist hier in bewundernswertem Ausmaß nichts zu blöde. Es wird Zeit, dies zu durchschauen, allen voran für Multiplikatoren, die dann in anerkennenswerter und angemessener Weise darüber in Sendungen wie Xenius berichten.

Der Ton wird schärfer werden (müssen). Dies wird die Vorstufe sein für einen dann endlich zielführenden und auch psychologisch korrekten Umgang mit diesem Thema.

Lieber Gruß,

Roland

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